Wie gut halten Pferde denn nun wirklich warme Temperaturen aus? Im schlimmsten Fall führt eine Überhitzung zum Tod, aber im schlimmsten Fall führt eigentlich alles zum Tod. Also wie schlimme Sorgen muss ich mir wirklich machen? Was kann ich bei Hitze mit meinem Pferd tun? Worauf muss ich achten? Und wie kann ich meinem Pferd helfen, die Hitze besser zu ertragen?
Autorin: Marie-Theres Conen, Karolina Kardel, Veronika Conen
Prinzipiell haben Pferde keine Probleme mit sommerlichen Temperaturen. Ihre Komforttemperatur reicht von plus 25 bis minus 15 Grad. Wobei ihr Stoffwechsel am besten bei 5 Grad funktioniert. Innerhalb ihrer Komforttemperatur müssen sie noch nicht stark gegen Überhitzung bzw. Unterkühlung ansteuern.
Außerhalb ihrer Wohlfühltemperatur können Pferde auf ihre Fähigkeiten der Thermoregulation zugreifen. Wie sie sich wärmen, könnt ihr hier nachlesen: Wann friert mein Pferd?
So kühlen sich Pferde:
a) Schwitzen
Wenn Schweiß verdunstet, entsteht Verdunstungskälte, sie dient der Kühlung des Organismus. Rund 60% der Kühlleistung findet auf diesem Weg statt.
Damit ein 500 Kilo schweres Pferd mit 5 Quadratmetern Körperoberfläche durchs Schwitzen erfrischt wird, braucht es viele Schweißdrüsen: In einem Quadratzentimeter Haut liegen daher neben Talgdrüsen an die 400 bis 500 schlauchförmige Schweißdrüsen. Bis zu 30 Liter Schweiß können so pro Stunde erzeugt werden.
An Hals, Brust, Schulter, Flanke und seitlich am Bauch befinden sich die meisten Schweißdrüsen. Auch an Stirn und Kehlgang sind sie dicht gesät.
Ähnlich wie bei Kälte ist auch hier wieder die Luftfeuchtigkeit ausschlaggebend. Ist es schwül, kann der Schweiß langsamer verdunsten und es tritt weniger Kühlung ein. Wenn also das Pferd bei heißem Wetter während der Arbeit trocken bleibt, bedeutet das nicht, dass es nicht schwitzt! Der Schweiß verdunstet nur so schnell, dass man ihn nicht sieht. Der Mechanismus funktioniert also perfekt.
SCHWITZEN IST GESUND!
b) Atmung
Beim Ausatmen wird nicht nur Kohlendioxid ausgeschieden sondern auch Wärme. Die erhitzte Atemluft wird durch kühle frische Luft beim Einatmen ausgetauscht. Die eingeatmete Luft kühlt sich auf dem Weg durch den langen Kopf über die feuchten Schleimhäute ab. Dieser Mechanismus deckt rund 33% der Kühlleistung ab.
c) Wärmestrahlung
Abgabe von Körperwärme über die Oberfläche. Hier spielt die Differenz zur Außentemperatur ein Rolle. Niedrige Grade und flotter „Fahrtwind“ sind hilfreich. Registrieren die Rezeptoren zu viel Wärme, hat das Pferd die Möglichkeit, über eine Erweiterung der arteriellen Gefäße den Körper zu kühlen.
Durch eine Gefäßerweiterung wird vermehrt Körperwärme abgegeben.Tiere mit einer größerern Körperoberfläche können sich leichter abkühlen. Je kleiner die Körperoberfläche ist desto weniger Energie müssen sie aufwenden, um sich warm zu halten.
d) Wärmekonvektion
Erwärmtes Blut wird über die Venen in die Kapillaren an der Oberfläche geführt, dort abgekühlt und wieder ins Innere geleitet. Diese Form der Kühlung funktioniert besonders gut bei Rassen mit dünner Haut.
e) Wärmeleitung
Der Kontakt der warmen Körperoberfläche mit kalter Materie sorgt für Abkühlung. Zum Beispiel mit Eisbandagen und Abwaschen mit kaltem Wasser.Nach dem Abduschen ist es wichtig, das erhitzte Wasser mit einem Schweißmesser zu entfernen. Wenn nötig, diesen Vorgang mehrfach wiederholen.
Praktischer Nebeneffekt: Ohne den Schweiß im Fell sind die Pferde danach weniger attraktiv für lästige Insekten.
Alle Mechanismen des Abkühlens außer der Atmung sind im kurzen Sommerfell wesentlich effektiver als im langen Winterfell!
Noch mehr zu Schwitzen und Hitzeregulierung beim Pferd.
Ein gesundes Pferd hat also keine allzu schlimmen Probleme bei warmen Wetter. Es ist anstrengender für der Stoffwechsel der Tiere als Kälte, aber mit ein bisschen Vorsicht ist alles machbar.
Natürlich sollte immer darauf geachtet werden, dass die Pferde einen schattigen Unterstand und genug Wasser zum Trinken zur Verfügung haben. Auch sollte man ein Auge auf seine jüngsten und ältesten Pferde werfen, da diese Pferde schneller Probleme mit der Thermoregulation haben.
Wie erkenne ich, ob meinem Pferd zu warm ist?
Schauen wir uns doch einmal die medizinische Werte von einem gesunden Pferd an. Hier sind einige der häufig überwachten Werte:
Körpertemperatur: Die normale Körpertemperatur eines Pferdes liegt zwischen 37,2°C und 38,3°C.
Puls: Der normale Puls eines Pferdes liegt in Ruhe zwischen 28 und 44 Schlägen pro Minute. Nach intensiver Anstrengung kann der Puls vorübergehend ansteigen.
Atmung: Die normale Atemfrequenz eines Pferdes beträgt etwa 8 bis 16 Atemzüge pro Minute.
Anzeichen für eine Überhitzung können sein:
- Schon vor dem Reiten: Die Normalwerte des Pferdes sind stark verändert. Höhere Körpertemperatur, Atemfrequenz oder (oder zu niedriger) Plus. Übermässiges Schwitzen gleich nach dem Holen aus dem Paddock.
- Pferde mit einem schlechten Kreislauf können blasse oder graue Schleimhäute haben.Pferd wirkt lethargisch und desinteressiert, hat ein verändertes Temperament und möchte nicht mitmachen.
Akut, schnell den Tierarzt rufen:
- Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen. Pferd ist wackelig oder unsicher auf den Beinen.
- -Das Pferd zeigt Koliksymptome: Pferd verhält sich unruhig, wandert ständig umher, stampft mit den Vorderhufen auf oder legt sich häufig hin. Schlechte Verdauung, Mangel an Darmgeräuschen.
Diese Symptome treten normalerweise in Kombination auf:Sollte dein Pferd diese Symptome aufweisen, empfehlen wir Dir, einen Tierarzt zu rufen, um die genaue Ursache festzustellen und entsprechende Maßnahmen zur Stabilisierung des Pferdes zu ergreifen.
Bis zu welcher Temperatur kann ich mein Pferd reiten?
Wir würden mal diese Faustregel geben: Wenn es dir selbst zu warm ist, eine lange Reithose anzuziehen, dann ist es deinem Pferd auch zu warm, geritten zu werden.
Wenn der Wetterbericht über 30 Grad angesagt hat, solltest du die Belastung für das Pferd zu reduzieren. Logischerweise wird empfohlen, das Reiten während der heißesten Tageszeit zu vermeiden und stattdessen in den kühleren Morgen- oder Abendstunden zu trainieren.
Wer sein Pferd gut kennt, kann ihm so viel Bewegung anbieten, wie es möchte. Wenn dein Pferd fit und motiviert ist, spricht nichts gegen einen fleißigen Ausritt im schattigen Wald, auch wenn es 30 Grad hat.
Das gleiche gilt fürs Longieren. Wenn es warm ist und euer Pferd Lust hat, sich fleißig zu bewegen, dann dürft ihr im das erlauben. Sollte es aber entgegen seinem normalen Temperament sehr unmotiviert und träge sein, zwingt es nicht, sich übermäßig anzustrengen.
Worauf muss ich bei meiner Ausrüstung achten, wenn ich im Sommer reiten gehe?
Verwende unbedingt eine atmungsaktive Sattelunterlage, um dein Pferd vor Hitzestaus unterm Sattel zu schützen. Am besten eignet sich natürlich eine Satteldecke aus Wolle. Hitzestaus können verspannend wirken und im schlimmsten Fall gewebeschädigend.
Eine Satteldecke aus Wolle ist im Sommer für Pferde aus verschiedenen Gründen vorteilhaft:
- Atmungsaktivität: Eine Satteldecke aus Wolle ermöglicht es der Luft, zwischen dem Pferderücken und dem Sattel zu zirkulieren, was dazu beiträgt, Überhitzung und Feuchtigkeitsansammlung zu vermeiden.
- Feuchtigkeitsmanagement: Wenn das Pferd während des Reitens schwitzt, nimmt die Satteldecke aus Wolle den Schweiß auf und leitet ihn von der Haut des Pferdes weg, was ein angenehmeres Reitgefühl ermöglicht.
- Polsterung und Druckverteilung: Wolle hat eine natürliche Elastizität, die es ermöglicht, Druckpunkte auf der Haut zu reduzieren. Durch die Verteilung des Drucks auf eine größere Fläche werden die Blutgefäße nicht eingeengt, was die Blutzirkulation begünstigt.
- Temperaturregulierung: Wolle trägt dazu bei, die Körpertemperatur des Pferdes auszugleichen. Durch die Aufrechterhaltung einer optimalen Körpertemperatur können die Blutgefäße entspannt bleiben und die Blutzirkulation wird verbessert.
- Passform der Decke: Die Satteldecke lässt sich gut aufkammern, sodass die Luft im Kissenkanal zirkulieren kann und ein Wärmeaustausch stattfindet.
- Ekzemerfreundlich: Wolle ist hautfreundlich und antibakteriell. Das reduziert Reibung und Scheuern.
- Gel-, Neopren- und andere Kunststoffpads verursachen Hitzestau, da keine Wärme durch das Material aufsteigen kann. Hitze in Verbindung mit Druck kann sehr rasch gewebeschädigend wirken.
Werft doch im Sommer nach dem Reiten mal ein Bild auf das entstandene Schweißbild.
Das Schweißbild aus feuchten und trockenen Stellen liefert uns Informationen über die Passform des Sattels. Ein perfektes Bild wäre ein vollkommen gleichmäßig feuchter Pferderücken mit einem trockenen Steifen entlang der Wirbelsäule.
Beim Reiten üben das Gewicht von Sattel und Reiter Druck auf die Sattellage aus. Zu hoher Druck hemmt die Funktion der Schweißdrüsen. Das Gewebe wird unterversorgt, so dass keine natürliche Schweißproduktion möglich ist. Da ist auch eine Überhitzung schneller möglich.
Eine durch Druck entstandene, trockene Stelle schädigt die Haut oder Gewebepartien zwar noch nicht sofort, verhindert aber eine gute Durchblutung des Gewebes. Aufgrund dessen können Folgeschäden wie Muskelverspannungen, Atrophien oder auch Satteldruck entstehen.
Übungen dein Pferd bei über 30 Grad
Die Temperaturgrenzen für das Reiten eines Pferdes können je nach individueller Toleranz, Fitness des Pferdes und Belastungsgrad variieren. Es ist wichtig, die Bedürfnisse deines Pferdes zu berücksichtigen und auf seine Körpersprache zu achten.
Für den Stoffwechsel ist es aber auch nicht gut, das Pferd den ganzen Sommer stehen zu lassen. Ab 35 Grad, oder wenn du keine Möglichkeit hast, morgens oder abends dein Pferd zu bewegen, darf das Pony bedenkenlos mal ein bisschen frei machen. Aber es gibt auch noch andere Übungen, die du mit deinem Pferd im Sommer machen kannst. Die ausführlichen Anleitungen gibt es hier.
- Übungen mit Targetstick : Ihr haltet eurem Pferd das Target vor die Nase und sobald es das Target mit der Nase berührt, gibt es einen Click und einen Keks. Auf diese Weise könnt ihr nach und nach komplexere Bewegungen einstudieren.
- Apportieren von Gegenständen: Ziel der Übung ist, dass euer Pferd den Gegenstand mit dem Maul aufhebt und ihn euch gibt. Die Vorgehensweise hierfür könnte sein, dass ihr sofort clickt, wenn euer Pferd den Gegenstand ins Maul nimmt und es dann ausbaut bis es euch das Objekt gibt.
- Instabile Untergründe: Balance Pads/Matte: Beim Stehen auf instabilen Untergründen muss sich euer Pferd permanent ausbalancieren. Dies aktiviert die Propriozeptoren, verbessert das Gleichgewicht und stärkt darüber hinaus die wichtige Tiefenmuskulatur, die für Halt und Stabilität zuständig ist.
- Kreatives Führtraining: Von links, von rechts, vor dem Pferd gehend, mit Abstand führen, mit Halsring führen, frei und ohne Equipment führen.
- Führparcours: Stangen im ZickZack, Unterschiedliche Höhen, Schlangenlinien/ Slalom mit Hütchen, eine Plane, unterschiedlich breite Gassen, instabile Untergründe, punktgenaues Anhalten.
- Klassische Handarbeit und Langzügel oder Doppellonge: Alle klassischen Bahnfiguren oder einfach auf der Geraden mit Übergängen. Später können Seitengänge hinzugenommen und mit den Bahnfiguren kombiniert werden.
- Isometrische Übungen: Mit den Händen langsam Druck im Bereich der Schulter oder der Flanke ausüben. Es soll keinen Schritt zur Seite machen, sondern mit Gegendruck reagieren. Kräftigt die Rumpfmuskulatur.
- Dehnungsübungen: Wirken entspannend und durchblutungsfördernd. Dehnung der Vorderbeine und der Hinterbeine und des Halses. Das Pferd sollte dafür aufgewärmt sein.
- Lockernde Massagegriffe: Mit den Handflächen in Fellrichtung über den Körper eures Pferdes streichen. Der Harkengriff: mit Fingern eine Harke formen und über den Pferdekörper ziehen .Knetungen: z.B am Arm-Kopf-Muskel am Unterhals, die Oberhalsmuskulatur oder an der Hinterhand.
Gibt es Möglichkeiten, die Fähigkeit der Hitzeregulierung beim Pferd zu verbessern?
Ja! Mit Training. Je fitter du dein Pferd in den kühlen Monaten trainierst, desto besser ist sein Stoffwechsel für die Sommerhitze gewappnet.
Ausdauertraining ist wichtig für die Gesundheit aller Pferde. Sie verhindert Verletzungen und Überforderung. Das oberste Ziel einer Grundkonditionierung lautet, die physiologischen Grundlagen und den Stoffwechsel so zu entwickeln, dass das Pferd alle an es gestellten Belastungen bei minimiertem Verletzungsrisiko aushält.
Effekte von gutem Konditionstraining
- Abbau von Fett als Isolierschicht.
- Ausbau des Herz-Kreislauf-Systems, dadurch effektiverer Abtransport von Wärme über die Blutgefäße.
- Ausbau des aeroben Systems, Energiegewinnung durch Fettverbrennung produziert weniger Wärme, Aufbau von Muskeln, effizientere Energienutzung und weniger Abwärme.
- Reiten in konstantem Tempo fördert tiefes, regelmäßiges Ein- und Ausatmen und damit den Wärmeaustausch. Das Atemvolumen verbessert sich, also die Sauerstoffmenge pro Atemzug wird durch Übung der Atemtechnik und Atmungsmuskulatur vergrößert.
- Ausdauertraining fördert die Bildung zusätzlicher Schweißdrüsen für die Verdunstungskühlung.
„Mein Pferd hat aber null Kondition!“ Wenn Du das jetzt sagen willst, dann hast du damit den wichtigsten Grund, sofort mit seinem Ausdauertraining zu beginnen.
Wie du Konditionstraining am besten aufbauen kannst, lernst du hier.
Fazit: Pferde, besonders Islandpferde, können mit Hitze schlechter umgehen als mit Kälte. Das sollte dich aber nicht davon abhalten, dein Pferd auch im Sommer zu bewegen.
So lange du auf seine Zeichen achtest, machst du nichts falsch. Und wenn es wirklich mal 36 Grad hat und es noch heißer wird, dann bleib getrost daheim. Wenn dein Pferd ein schattiges Plätzchen hat und genug zu trinken, ist es froh, wenn du nichts von ihm willst.