Melasól x Sportsfreund – Der Talk: Sattelwahrheiten, textile Kompetenz, Konsum und darf man Luxus überhaupt?
Katharina von der Ledermanufaktur Melasól und Veronika von den Sportsfreund Studios haben gemeinsam eine exklusive Kollektion von Satteldecken mit Fischlederverzierung entworfen.
Wenn sich zwei Designerinnen zusammentun, dann kommt etwas sehr Schickes und Edles dabei raus. Steckt aber eigentlich noch mehr hinter der Kollaboration als das gute Aussehen des Produkts?
Autorin: Veronika Conen, CEO Sportsfreund-Studios
Katharina und Veronika haben sich unterhalten:
Veronika
Liebe Katharina, lose kennen wir uns ja schon länger, aber letztes Jahr bist Du mit der Idee auf mich zugekommen, die Wollsatteldecken von Sportsfreund mit einem isländischen Fischlederkeder zu verzieren. Du musstest mich nicht lange überreden zu so was Schönem.
Katharina
Ja, Du warst sofort dabei und hast das erste Modell in der Näherei angefordert.
Veronika
Mir war immer klar, dass Du für Deine Trensen das Sattlerhandwerk ausübst. Daß Du aber, wie es das Wort schon sagt, tatsächlich Sattlerin bist, also jemand, der sich mit dem Thema Sattel auskennt, wurde mir erst neulich bewußt. Erzähl mir doch mal von Deinem Werdegang.
Katharina
Ich habe ein abgeschlossenes Studium zur Umweltingenieurin. Das war aber nicht wirklich das, was ich wollte und so habe ich mich parallel schon umgeschaut. Ich habe immer schon viel gebastelt und gemalt. In Wirklichkeit bin ich eher der kreative, handwerkliche Typ.
Veronika
Oh ja, das ist eine tiefe Prägung. Ich habe auch von klein auf liebend gerne gebastelt.
Katharina
Etwas zu erschaffen gibt eine tiefe Befriedigung. Ich habe überlegt, etwas mit Pferden zu machen. Tiermedizin hab ich mir schnell aus dem Kopf gestrichen. Mit youtube habe ich dann meine erste Trense genäht und die „Lederbastelei“ zunehmend ausgeweitet und verfeinert. Mit Ende des Studiums habe ich mein Gewerbe angemeldet. Ich machte eine Ausbildung zur Sattlergesellin und habe als Beste in NRW abgeschlossen. Mein Gewerbe ließ ich nebenbei weiterlaufen, ich war spezialisiert auf Trensen, der Chef auf Sättel.
Die Ausübung des gängigen Sattlerhandwerks mit Reparaturen, Umarbeitungen, Gurtstrupfen ändern, Polstern war mir bald nicht kreativ genug und hat mich nicht wirklich erfüllt. Ich wollte meine Melasól Trensen als Hauptjob.
Aber natürlich bin ich viel zu Kunden mitgefahren zu Anpassungsterminen. Mein Chef ließ mich immer erst selber kucken. So habe ich über die Jahre viel Wissen über Sättel angesammelt. Heute werde ich immer am Stall gefragt, ob ich mal drüber kucken kann.
Veronika
Du hast Dir also die volle Kompetenz als Sattlerin reingepfiffen. Im Vordergrund stand aber für dich immer der Umgang mit dem Werkstoff Leder und das Schmückende.
Katharina
Das trifft es!
Veronika
Wir reden jetzt nicht über das riesige Thema Sattel, aber ein paar Grundlagen sollten wir besprechen.
Weil Du schließlich jahresbeste NRW-Sattlerin bist, weißt Du gut Bescheid über Sattelpassform und kannst mir sagen, warum es für Dich nur logisch ist, eine Satteldecke mitzugestalten und herauszugeben.
Katharina
Aber erzähl erstmal Du von Dir
Veronika
Ich hab auch einen komischen Werdegang. Eigentlich bin ich Fachübersetzerin, hab aber in dem Job schnell festgestellt, dass ich zwar den intellektuellen Umgang mit der Sprache mag, die Ausübung aber viel zu einsam ist. Der direkte Weg in die soziale Isolation. In der Werkstatt kann man ja Radio oder Podcast hören, telefonieren, Sprachnachrichten hin und herschicken. Das geht beim Übersetzen nicht. Ich habe dann viele Jahre im Verlag gearbeitet. Parallel bin ich zu meinen handwerklichen Wurzeln zurückgekehrt und habe über 20 Jahre lang mit Farbe fremde Wände gestaltet. Da konnte ich meine Liebe zu Farben und der Malerei pflegen. Bei mir zuhause wurde immer gebastelt, gemalt und genäht. Mit meiner Mama und Oma habe ich die ersten Puppenkleider genäht. Später meine Klamotten bis hin zu historischen Kostümen des Rokoko und Empire. Daher kommt meine innige Beziehung zu Textilien und Liebe zu guten Materialien.
Warum reitest Du mit Satteldecke, weil Du darauf so viel Blingbling und Schischi passieren lassen kannst oder weil Du als gelernte Sattlerin darin auch praktischen Nutzen für Dich und das Pferd siehst?
Katharina
Natürlich! Für mich als Sattlerin gilt erst mal eines: Die Satteldecke ist – wie schon im Namen enthalten – in erster Linie für den Sattel da. Um den Sattel vor Schweiß und Dreck zu schützen. Theoretisch kann man auch ganz ohne Unterlage reiten, dann muss man eben seinen Sattel sehr gut pflegen. Was ja leider die wenigsten tun.
Veronika
Ein Sattel ist ja nebenbei auch ganz schön teuer und hätte es verdient, regelmäßig gepflegt zu werden.
Katharina
Für mich als Sattlerin zählt als erstes der schützende Aspekt für den Sattel, eine Satteldecke kann aber auch, abhängig von ihrem Aufbau, mehr oder weniger.
Erstens sollte sie so dünn wir möglich sein. Voraussetzung ist immer, dass der Sattel passt. Sie muss einen gewissen Stand haben, die Form halten, keine Falten bilden unterm Sattel, nicht verrutschen, aus gutem Material sein, den Schweiß nach außen tragen.
Gerade das im Islandpferdebereich verbreitete „Ich benutze nur ein Pad“ sehe ich sehr kritisch. Haben Sich die Leute schon mal das Gummipad auf die nackte Haut oder den Kopf gelegt? Ich finde das so eklig und unangenehm. Es graust mich in alle Richtungen, wenn ich sehe, dass das Pad direkt aufs Fell gelegt wird. Das ziept und tut weh! Das ist für die Haut scheiße, für die Haare scheiße, ich kann nicht verstehen, woher der Trend kommt. Es heißt, dann rutscht der Sattel nicht mehr. Wenn der Sattel rutscht, dann passt der Sattel nicht. Dann lasst den Sattel anpassen. Da könnte ich mich stundenlang aufregen!
Veronika
Da ist Leidenschaft dahinter! Wer will eine Silikon- oder Gelmütze tragen?
Katharina
Es gibt auch Korrekturpads, die ihre Berechtigung haben. Aber dann verwendet sie bitte richtig und legt sie zwischen Satteldecke und Sattel. Oder ein Pad aus Wolle oder einem Material, das der Haut nicht wehtut. Dann kann man das Pad auch benutzen bei schwieriger Rückenlinie etc aber bitte bewußt und abgeklärt mit einem Sattler. Oder die Satteldecken mit dem Moosgummiausgleichdings und -gedöns … eigentlich total unnötig.
Veronika
Wie siehst Du das, manche Unterlagen fühlen sich eher an wie Matratzentopper, mit dem Versprechen, dass sie besonders gut polstern. Aber sind denn für die Polsterung nicht die Sattelkissen zuständig?
Katharina
Vom Aufbau her ist es so: Der Sattelbaum verteilt das Reitergewicht und überträgt es auf die Sattelkissen. Wenn die richtig angepasst sind, geben die den Druck gleichmäßig auf die gesamte Länge und Breite des Kissens weiter. Dann gibt es weder mehr Druck vorne oder hinten, noch bildet sich eine Brücke. Klar gibt es Pferde, bei denen eine Sattelanpassung sehr schwierig ist wegen Senkrücken etc. Hier dienen Ausgleichspads auch einem ganz bestimmten Zweck, aber generell 5cm Polster unter den Sattel Stopfen bringt nix, macht es nur schlimmer. Weil du weiter weg bist vom Pferd, weniger Möglichkeiten hast fein einzuwirken mit dem Sitz, weil so viel schwammiges Material unter dir wabbelt. Deine Hilfen kommen undeutlich an oder gar woanders als sie sollten, mit der Folge, dass Dich Dein Pferd nicht versteht. Den Sattelkissen wird sozusagen in die saubere Arbeit gepfuscht.
Veronika
Ich sehe gerade die Prinzessin auf der Erbse, die zwar die Erbse nicht mehr spürt, aber oben auf ihrem Matratzenturm ins Schwanken gerät.
Katharina
Aber wir wollen beim Reiten ja die Erbse fühlen!
Das ist der Widerspruch, dass wir so viel wie möglich spüren wollen beim Reiten, es aber durch die verschiedenen Unterlagen gar nicht mehr können.
Veronika
Die Polsterung ist also primär nicht für ein sanftes Betten sondern für die gleichmäßige Druckverteilung da, weil unser Hintern auch nicht gleichmäßig drückt – Stichwort Sitzbeinhöcker, Steigbügelaufhängung usw.
Katharina
Der Baum verteilt den Druck zuerst und die Sattelkissen nehmen den verteilten Druck auf und geben ihn gleichmäßig weiter aufs Pferd.
Veronika
Es ist also nicht die Aufgabe der Satteldecke, den Druck zu verteilen?
Katharina
Exakt, sie soll in erster Linie den Sattel schützen und wenn sie mehr kann, den Schweiß vom Pferd wegtragen.
Veronika
.. und da kommen wir mit der Wolle ins Spiel. Mir dreht’s zum Beispiel beim Anblick nasser Sattellagen den Magen um. Wenn das Pad runterkommt und die Haare in alle Richtungen stehen, möglichst gegen den Strich, mit diesem typischen Noppenabdruck, und das Pferd dann so weggestellt wird. Man sieht noch am nächsten Tag oft den Abdruck weil das Haar durch den Schweiß so verklebt ist. Bei kühlerem Wetter wird dann genau die empfindliche Muskulatur der Sattellage richtig kalt.
Katharina
… nett
Veronika
Mir tut das so leid für die Pferde, dass ich ihnen wenigstens die Härchen wieder richten möchte. Da kommen wir wieder zu unserem Wertschätzungsthema zurück.
Katharina
Das hat definitiv etwas mit Respekt gegenüber zu tun. Das Pferd tut was für mich und ich bin so undankbar, dass ich nicht mal mehr drüber striegle. Ich finde Putzen nach dem Reiten super wichtig, um restlichen Schweiß zu verteilen, Haut massieren, ds ist ein bisschen wie Dehnen nach dem Sport.
Veronika
Eine schöne Veranstaltung möchte man ja auch ausklingen lassen. Und nicht sofort weiterhetzen. Am besten Fleecedecke draufschmeißen und damit ab in den Paddock. Am nächsten Tag wundert man sich dann , dass die Decke kaputt ist und vollgesogen mit Pipi. Dann ist auch noch die Decke schuld.
Katharina
Und was kann nun eine Satteldecke aus Wolle besser als andere?
Veronika
Wolle kann einfach unglaublich viel Schweiß aufnehmen – bis zu 30% ihres Eigengewichts – und sorgt damit für einen trockene Sattellage, die wiederum nicht auskühlen kann. Andererseits fühlt sie sich auch nie kalt und klamm an, man kann sie auch in feuchtem Zustand aufs Pferd auflegen. Sollte sie mal im Winter nicht richtig trocknen oder man kommt in den Regen, dann ist das überhaupt kein Problem. Im Sommer schützt Wolle gleichzeitig vor Überhitzung unterm Sattel, weil sie immer eine neutrale Temperatur behält. Auch wenn es uns im Sommer mit einem Islandpulli zu warm wäre, gilt das nicht fürs Pferd, weil es die Wolle ja nicht auf der nackten Haut trägt. Da darf man sich nicht täuschen lassen. Baumwollsatteldecken haben immer eine Polyesterfüllung, die weder saugfähig ist noch temperaturausgleichend wirkt.
Katharina
Was ist bei euch dann drin in der Satteldecke?
Veronika
Das ist eigentlich das Beste an der Wollsatteldecke. Die Wattierung ist ein Schurwollvlies, das einen minimalen Zuschlag an Maisfasern hat, um die Formstabilität und die Waschbarkeit zu gewährleisten. Sonst ist nix drin. Nur Wolle aus nachhaltiger Schafhaltung in Österreich, der Schweiz und Norwegen, verarbeitet in Bayern. Ein richtig tolles modernes Produkt, für dessen Entdeckung ich total dankbar bin. Eine Polyesterfüllung hätte das Wollprodukt ad absurdum geführt und wäre echt unehrlich. Auch wenn das Obermaterial bester und schönster bayerischer Tuchloden ist.
Katharina
Aber man sagt doch Wolle mittlerweile wieder sehr viele Fähigkeiten nach?
Veronika
Da wird in der Tat viel geforscht, um Erfahrungswissen auch wissenschaftlich zu belegen.
Schöner Nebeneffekt von Wolle ist jedenfalls auch, dass sie keine Gerüche annimmt, was bei Pferdesachen ja echt nett ist. Das liegt an ihren antibakteriellen Eigenschaften. Gerade Pferde mit empfindlicher Haut profitieren da sehr. Man denke nur an das stickige, schwitzige Klima unter einem Gummi oder Silikonpad. Stichwort Pusteln in der Sattellage. Es heißt auch, dass Wolle die Zirkulation anregt und gleichzeitig die Muskulatur entspannt. Es gibt in der Medizin mittlerweile wieder viele Anwendungen, inwieweit die Erfolge belegt sind, kann ich auch nicht sagen.
Vorteil gegenüber Lammfell ist, dass die Satteldecke unkomplizierter zu pflegen ist.
Katharina
Lammfell ist oft zu dick. Deine Satteldecke hat die Vorteile ohne die Nachteile.
Sie ist dünn, aber stabil.
Sie bietet den Schutz für den Sattel, die Vorteile fürs Pferd, das schöne Aussehen, die regionale Verarbeitung und Herkunft. Die Satteldecke vereint so viele gute Punkte in sich, ein richtig gutes Gesamtkonzept.
Veronika
Vielen Dank, das war gerade wie ein Ritterschlag. Ich bin auch sehr stolz. Sie ist fast mein Lieblingsprodukt, das ich selber sehr gerne benutze.
Katharina
Ich hab sie auch seit zwei Jahren und will sie nicht mehr missen. Und empfehle sie allen, die fragen. Nichts anderes mehr.
Veronika
Umso schöner, dass wir zusammengefunden haben.
Noch eins zum Schluß: Das Pad ist häufig ein gedankenloses Modeaccessoire. Ich glaube die jüngeren Reiterinnen finden eine Satteldecke uncool und eher ein Produkt für alte Weiber wie mich. Ein Pad ist cooler vom Look und die Identifikation mit den Sportreitern ist gegeben. Der Stil in der Isiwelt ist gerne sportlich. Ich habe schon viele junge Frauen erlebt, die zwar verstehen, dass ihr Pad dem Pferd gar nicht so gut tut, aber sich dennoch nicht zu einer in ihren Augen altmodischen Satteldecke überwinden können. Das halten sie vom Style her nicht aus. Hier müssen wir an einem neuen Trend arbeiten.
Katharina
Ich finde es in der Isiszene generell schwierig, dass ganz viel Markenabhängigkeit besteht, entweder nur die eine oder die andere Marke am ganzen Stall.
Veronika
Dabei sind die Sachen sowieso alle immer Schwarz! Ich sag nur Neuerfindung Schwarz für Sättel.
Katharina
Das kann ich gar nicht abhaben. Die Sattelmarke ist keine Aussage an sich. Ich brauche eine gute Anpassung. Wir müssen immer noch aufklären. Man kann einen Sattel nicht einfach im Internet kaufen. Aufgrund einer Markenempfehlung.
Es ist wichtig, dass man viel nachfragt, sich informiert, eine eigene Meinung bildet und keinen Trends hinterherrennt.
Leider sind wir oft in ein kreatives Korsett gezwängt, begrenzt durch das, was wirtschaftlich ist und was sich Kunden trauen. Richtig austoben kann ich mich nur sehr selten. Das Machen an sich ist ja schon befriedigend, aber es muss halt auch Geld bringen.
Veronika
Schlüsselwort „Trauen“. In Deutschland sind Menschen sehr ängstlich in punkto Gestaltung und Farben, eigentlich haben sie dabei Lust auf Farben, Luxus, Opulenz… Ich frage oft nach den Wildest Dreams aus dem Bauch raus. Wo ruft Dein Herz innerlich Jaaaaa? Und dann wird’s doch nur grau oder beige. Nicht auffallen, die Angst, dass es zu viel wird, die innere Frage, ob ich das haben darf, es mir zusteht. Das klingt wie puritanische Selbstkasteiung. Dabei ist es doch so schön, sich was zu gönnen.
Im tiefsten Herzen sind wir doch Gestalterinnen und Designerinnen, das ist wie ein ganz starker Spieltrieb.
Katharina
Man könnte so viel mehr machen. Viele Kundinnen haben jedoch Angst davor, weil zu unkonventionell. Dann heißt es, das macht man doch so nicht. Und ich: MACH DOCH EINFACH!
Veronika
Warum soll ich mir nun für mein Pferd etwas anschaffen, was auch noch goldenes Fischleder hat? Erfüllt was Einfaches nicht genauso den Zweck?
Bei der ersten Swarovski Kollektion der Abschwitzdecken habe ich einen Riesen Shitstorm bekommen auf Facebook über diese „Deckadenz“
Katharina
So viel Geld für so viel Scheiß
Veronika
Es gab so viel Anfeindungen und Häme. „Einmal im Matsch gewälzt und dahin ist die Schönheit.“ Ich dachte mir nur, „Du bist selber eine Sau“.
Katharina
Ich denke, da kommt der Neidfaktor und dann sind die Kirschen eh zu sauer. Eigentlich find ich’s geil, aber weil ich’s mir nicht leisten kann, find ich’s scheiße. Keine Frage, manche Leute haben mehr Geld als andere. Aber das ist es nicht alleine.
Veronika
Klar, wer sich’s nicht leisten kann, keine Frage. Das geht mich nix an und ich respektiere es vollkommen.
Aber da schwingt doch auch ein inneres Urteil mit über Dekadenz, Ungehörigkeit, Unsittlichkeit oder auch die eigene Angst, Neid zu erregen.
Aber liebe Katharina, warum darf ich mir für mein Pferd eben schon etwas Luxuriöses leisten?
Katharina
Ich finde es wichtig. Pferde sind unser Hobby, das soll Spaß machen. Es ist oft genug überschattet von Angst und Krankheit, Pferde sterben, verletzen sich, werden eingeschläfert, jemand hat einen Reitunfall. Gerade deshalb finde ich, dass man sich das Hobby so schön machen sollte, wie man kann. Es macht einen Unterschied, ob ich dem Pony irgendeine Satteldecke und billige Trense draufhau und sage, das passt schon, es erfüllt seinen Zweck. Oder wie es sich anfühlt, wenn ich meine schöne Trense mit dem finefine fellows Schmuck und dem Regenbogenkeder und die passende Wollsatteldecke von uns anlege. Das macht so viel mit mir, was sich auch aufs Pferd überträgt, weil ich stolz bin, weil es toll ausssieht, weil ich mich wohl fühle damit. Das ist ein wichtiger Aspekt über die Zweckmäßigkeit hinaus. Ich mach mich ja auch schön, wenn ich auf eine Hochzeit gehe und komme nicht in Duschfrisur und Jogginghose. Ich freu mich, dass ich gut aussehe und strahle es aus. Das kann man auch bei den Pferden. Klar ist es dem Pferd auch scheißegal – aber…
Veronika
aber… – ich muss schon lächeln, weil Du so ein tolles Plädoyer rausgehauen hast – klar ist es dem Pferd vordergründig scheißegal, aber Du kannst mit deiner inneren Einstellung dem Pferd etwas mitteilen. Jede Frau, die sich schön gemacht hat, fühlt sich geiler und ist selbstbewußt. Und wenn Du Dein Pony rausgeputzt hast, passiert das Gleiche. Es kann das spüren.
Ich finde es bis heute eine Ungeheuerlichkeit in meinem Leben, dass ich ein Pferd habe. Mein von mir selbst erfüllter Kindheitstraum. Beim Pferd zu sein ist für mich jedesmal ein kleiner Feiertag. Und deshalb will ich mich zur Würdigung dieses hohen Anlasses schön anziehen und das Pferd auch. Ich bin eine mittelgute Reiterin mit einem mittelguten Pferd, aber erreite mir wenigstens eine 10,0 auf Styling. Ich bewundere mein Pferd für seine natürliche Schönheit und aus Dankbarkeit pflege ich es und mache es noch schöner mit feiner Ausstattung.
Katharina
Das hat ja auch mit Respekt zu tun. Das Pferd käme wunderbar ohne uns zurecht, wir wollen ja was von dem Tier, wir haben es aus seinem natürlichen Habitat genommen, wenn ich dich schon reite, dann kümmere ich mich und befreie dich von Dreck und bürste dein Langhaar.
Veronika
Das Pferd kann ja sogar unter uns leiden, weil wir nicht geschickt genug sind. Muss man leider zugeben.
Aber was macht es nun für dein Pferd besser, wenn du scheiße sitzt und ihm dafür eine Satteldecke aus Gold draufpackst? Es ändert an meiner Haltung etwas. Pferde sind so sozial und fühlen es, wenn ich es bewundere oder auch andere es anschauen. Ich will mein Pferd schön machen. Klar ist ein Ziel, es beim oder durchs Reiten schön zu machen, aber weil ich da limitierte Möglichkeiten haben, kann ich ihn ja wenigstens so feiern.
Und man will ja auch Bewunderung für sein Pferd. Und wenn andere zu ihm sagen, wie schön er glänzt, wie fein er aussieht in seinem xy, dann glaube ich schon, dass sich ihm das mitteilt.
Katharina
Glaube ich auch. Pferden ist es zwar egal, warum sie bewundert werden, aber sie spüren, wenn man selber ein bißchen stolz wird, das überträgt sich. Und sie mögen und genießen Aufmerksamkeit. Schönes elegantes gepflegtes Aussehen und das, was es mit Menschen macht, reflektiert sich in jedem Fall zurück aufs Pferd.
Veronika
Kennst Du unseren Blogartikel „Tradition des Pferdeschmückens“
Katharina
Früher was es noch besonderer, ein Pferd nicht nur für den Acker zu haben, das war ein heftiges Statussymbol. Und das Verhältnis zu Materialien was anders, es gab viel weniger von allem, alles war kostbarer, da musste man anders mit den Dingen umgehen, du konntest nicht dreitausend billige Ledertrensen in drei Wochen bestellen. Dahin sollten wir wieder zurückkehren. Ich kaufe mir nur noch eine Trense oder Satteldecke, die aber so gut ist, daß ich eben nur eine brauche…
Veronika
Klar, wir müssen alle unseren Konsum bremsen. Also, die Kundinnen sollen weniger woanders kaufen und mehr bei uns! Wir sind da natürlich die Ausnahme …
Katharina
… das wär’s. Ich kauf eben nicht jedes Jahr irgendeine billige neue Trense oder Decke, weil sie sowieso kaputt geht und ich sie dann weghänge oder -werfe. Lieber nehm ich etwas mehr Geld in die Hand, um ein Teil haben, was so gut ist, dass es ein Pferdeleben lang hält. Gilt ja auch für Klamotten … nicht 30 Mio Jacken und Hosen kaufen sondern mehr darüber nachdenken, was mache ich damit, brauche ich überhaupt so viel. 2-3 coole Outfits fürs Pferd sollten genügen. Bewußter zu kaufen wäre viel schöner, und zwar so hochwertig, dass ich sie ein Leben lang benutzen kann und mich immer dran freue. Oder sie wenigstens immer noch gut weiterverkaufen kann, weil die Sachen einfach nicht kaputt gehen oder immer wieder leicht repariert werden können.
Veronika
Das ist ein wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit, das Konsumentenverhalten als Beitrag zu einer besseren Ökobilanz. In unserem Fall könnte man sogar sagen, dass der Einkauf vom manchmal so verpönten Luxusartikel eine höhere Nachhaltigkeit begünstigt, weil durch die Wertschätzung sorgfältiger damit umgegangen wird. Eine Melasol Trense, die ich selbst mitgestaltet habe, behandle ich eben auch mit höherer Wertschätzung. Ein Sportsfreund Produkt hoffentlich auch.
Dagfari hat übrigens eine extra Ausreitdecke für besondere Tage. Olivgrün mit hellgoldgrünem Strass. Das erinnert mich an meine Kindheit, wenn nach dem Regen im Wald auf dem Moos Wassertropfen in der Sonne glitzern. Der Anblick hat mich immer glücklich gemacht. Bis heute, weil ich eine fantasievolle Geschichte darum bastle und schon Spaß daran habe, mich so auf den gemeinsamen Ausritt vorzubereiten.
Und weil mich so freue, reite ich eine ganze Ecke lockerer. Lächeln auf dem Pferd!! Meine Reibeteiligung hat mich angeschaut, als ob ich nicht alle Trensen im Schrank hätte, als ich ihr die Ausreitdecke für den Dagfari gezeigt habe.
Katharina
So muss man es machen! Mehr Gedanken machen! Bewußter genießen. Das ist ein emotionaler Wert und Ausdruck von Liebe zu diesen wunderbaren Lebewesen.
Veronika und Katharina waren immer schon Pferdemädchen. Katharinas erste Worte waren Papa, Mama, Pferd, mit fünf Jahren hat sie in der Reitschule begonnen, mit neun eine Reitbeteiligung auf einem Isi ergattert und seit 2019 hat sie ein eigenes Islandpferd, den Wallach Draupnir. Veronika musste länger warten, als Kind hat sie sehnsüchtig Pferde gemalt, aus der Ferne bewundert und geweint, wenn Reiter an ihr vorbeiritten. Mit 38 Jahren dachte sie dann „Jetzt oder nie“ und buchte Reituntericht auf einem Islandpferdehof, um anschließend den ersten Ritt auf Island zu wagen. Sie hat heute zusammen mit ihrer Tochter Marie drei Isländer, ihr eigener Wallach heißt Dagfari.