Die Hüterin des Feuers: Silvia Ochsenreiter-Egli
 verrät ihre Trainingsgeheimnisse

Islandpferd beim Training mit Silvia Ochsenreiter Egli

Wie niemand sonst steht sie für ihren eigenen Reitstil: feurig, freudig und strahlend. Und genau das verkörpern ihre Pferde auf der Bahn: Freude, Feuer und Strahlen.

Silvia spricht darüber, wie sie Feuer entfacht und Strahlen in Gesichter zaubert.

Autorinnen: Veroinka Conen: CEO Sportsfreund Studios und Silvia Ochsenreiter-Egli

Silvia ist die strenge Hüterin von Heljars kostbarem Feuer

Liebe Silvia,

wie niemand sonst stehst Du für Deinen eigenen Reitstil: feurig, freudig und strahlend. Fühlst Du Dich beim Reiten selbst auch so?

Ich fühle mich vor allem beim Reiten eins mit mir selbst und dem Pferd. Im Einklang mit der Natur und frei von negativen Gefühlen oder Gedanken. Ich denke nicht aktiv. Ich fühle, ich lausche, ich bin ganz im Moment.

Mit Heljar Im Einklang mit der Natur
Entspricht das Deiner Persönlichkeit?

Ich habe diese Attribute schon häufiger in Zusammenhang mit meiner Persönlichkeit gehört. Meine Selbstwahrnehmung ist da bescheidener, aber ich freue mich sehr über dieses Kompliment.

Passiert das so oder planst Du das Strahlen bewußt?

Wahre Freude kommt von innen und ist definitiv nicht planbar. Das wäre in meinem Augen wie ein Betrug am Pferd. Vorgetäuschte Gefühle werden vom Pferd sofort durchschaut.

Gib deinem Pferd Freiraum beim Entfalten seiner Persönlichkeit – Briét frà Húsavik
Was ist Dein Geheimnis?

Puhh, schwierige Frage… Vermutlich ist ein Teil davon der Tatsache geschuldet, dass ich dem Pferd sehr viel Freiraum beim Entfalten seiner Persönlichkeit lasse. Die meisten Pferde fühlen sich nach kurzer Zeit richtig wohl bei und mit mir. Ich bin mit mir selbst im Reinen und kann ihnen dadurch sehr viel Ruhe und Sicherheit geben.

Ich dränge mich ihnen nicht auf, ich versuche sie auf der Ebene von gegenseitigem Respekt und Vertrauen zu erreichen.

Wie gehst Du mit Deinen Pferden im Alltag um? Hat das mit Deinem Erfolg zu tun?

Da ich nicht zu den Reitern gehöre, die gerne ein Pferd nach dem anderen bereits gesattelt in Empfang nehmen, um am Ende des Tages 10 oder mehr Pferde geritten zu haben, setze ich beim Umgang mit meinen Pferden auf gemeinsame Freizeit im Sinne der physischen und psychischen Annäherung.
Ich beobachte sie, ich bürste sie gerne und weiss genau wie viel „Zuwendung“ jedes einzelne Tier braucht und wann es auch mal zu viel ist. Dabei wahre ich ihren persönlichen Raum und ihre Würde. Mit „Vertüddeln“ hat das nichts zu tun. Heljar ist aber schon etwas verwöhnt nach all den Jahren. Er hat viele Freiheiten, fühlt jedoch auch, wenn es „Ernst“ wird, z. B. am Turnier.

Silvia weiss genau, wie viel „Zuwendung“ jedes einzelne ihrer Pferde braucht
Was heißt das, dass ein Pferd Spaß hat, und wie erkennst Du das?

Spass im Sinne von menschlichem Spass ist ein schwieriges Wort. Ich würde es mit stolzem Ausdruck und Freude an der Bewegung gleichsetzen. Leuchtende Augen, ein lebhafter Gesichtsausdruck, kraftvolle, energische Bewegungen, herzhaftes Abschnauben, eine weiche Verbindung zum Pferdemaul bei der das Pferd sich locker an das Gebiss herandehnt, feines Reagieren auf unsichtbare Hilfen ohne die Ohren anzulegen oder mit dem Schweif zu schlagen, das Gefühl, mit dem Pferd eins zu sein etc.

Solide technische Ausbildung ist das A & O – Silvia und Kamban
Welche Rolle spielt die technische Ausbildung bei Dir?

Für mich ist sie das A und O. Ohne eine solide Basis werden Leistungen nicht mühelos abrufbar oder reproduzierbar. Eine grundsolide, faire und pferdegerechte Ausbildung ist essentiell für die Gesunderhaltung des Pferdes unter dem Sattel.

Wie motivierst Du Deine Pferde?

Abwechslungsreiches Training mit viel positiver Energie und dem Versuch, die Aufgaben leicht verständlich für das Pferd zu halten. Nicht zu viel auf einmal Verlangen, aber auch immer in Abstimmung mit dem Charakter, Temperament und der Veranlagung des Pferdes.
Es gibt hierzu ein tolles Zitat von Albert Einstein: „Wenn man den Fisch an seiner Fähigkeit misst auf Bäume zu klettern, wird er immer denken, er sei dumm“.
Lass den Satz ein paar Minuten wirken, es lohnt sich!

Wiedersprechen sich diszipinierte Technik und Freiheit des Pferdes?

Absolut nicht, denn nur wenn das Pferd sowohl Respekt als auch Vertrauen gegenüber dem Reiter entwickelt, kann es sein volles Potential zeigen. Dazu braucht man sowohl Disziplin als auch Technik. Ein Pferd ist ein Herdentier, es liebt eine klare Hierarchie. Wenn diese Position geklärt ist, wird es sich frei und freudig bewegen können. Disziplin muss nichts Schlechtes sein, solange man fair und gerecht bleibt. Soviel wie nötig, so wenig wie möglich, ist hier das Zauberwort.

Disziplin in Freiheit – Heljar feiert sich selbst
Wie stehst Du zum Konzept des Gehorsams?

Selbstverständlich erwarte ich von einem gut ausgebildeten Pferd, dass es gelernt hat zuzuhören und auf korrekte und faire „Fragen“ des Reiters entsprechend zu antworten. Ich bin streng aber gerecht. Das wird von meinen Pferden sehr wertgeschätzt und hierbei ist das richtige Timing von grösster Bedeutung. Je kürzer die Korrektur (im richtigen Moment) und je schneller das Lob, desto klarer verständlich ist es für unsere Pferde.

Jeder Reiter hat sicher schon einmal erlebt, dass sein Pferd nach einer guten Korrektur freudig abschnaubt, u.a. weil sich seine Balance verbessert hat und der Körper beweglicher wird. Streng bin ich so lange, bis das Pferd mir anbietet, sich frei, locker und in guter Selbsthaltung reiten zu lassen. Ich fordere, aber versuche, nicht zu überfordern. Ich ermutige meine Pferde im fleissigen Vorwärts, ihren Stolz und ihre Freude an der Bewegung zu erfahren. Das klingt jetzt etwas esoterisch, ist es aber nicht. Es basiert auf ehrlicher Ausbildung ohne Tricks und Abkürzungen.

Stolz und Mut durch Klarheit: Briét frà Húsavik
Ich habe selbst schon Unterricht gehabt bei Dir und bekam im Laufe des Kurses eben jenes fröhliche und freie Gefühl von mir und meinem Pferd. Dagfari und ich waren wie im Rausch und fühlten uns überragend.
Du scheinst auf Deine Schülerinnen die selben Tricks anzuwenden wie auf Deine Pferde. Was ist Dein Ansatz beim Unterrichten?

Ich habe in den letzten 30 Jahren (oh Gott, mach ich das wirklich schon so lange?) die unterschiedlichsten Reiter und Pferde unterrichtet und in dieser Zeit enorm viel von meinen Schülern/Pferden und der Art und Weise, wie sie neue Dinge aufnehmen, lernen dürfen. Zudem habe ich verschiedene Unterrichtsmethoden „getestet“ und bin nun an dem Punkt, an dem mir meine Erfahrung sehr zu Gute Kommt.

So wie ich die Pferde zu lesen verstehe, versuche ich auch die Menschen zu erreichen. Das ist meist deutlich komplexer, weil Menschen oft mit ganz klaren Erwartungen zu mir kommen, die zum Teil unrealistisch sind oder so kurzfristig nicht erfüllt werden können. Ein Pferd hat niemals Erwartungen oder Vorurteile. Es lebt ganz im Moment. An diesen Punkt versuche ich meine Schüler zu bringen. Sie sollen frei sein von störenden Gedanken und sich ganz auf das Hier und Jetzt mit ihrem Pferd konzentrieren. Ein Trainer, dem ich selbst sehr viel zu Verdanken habe, hat einmal gesagt: „we ride the horse we have today, not the one from yesterday or tomorrow.“

Was bedeutet das konkret für Deine Schülerinnen?

Konkret heisst das „Kopf aus, Popometer an“ Also anders ausgedrückt versuche ich meine Schüler anzuleiten mehr zu fühlen, weniger mit dem aufgeschlagenen Lehrbuch im Kopf zu reiten. Wobei natürlich das theoretische Verständnis für das Wie, Wo und Warum extrem wichtig ist. Das sollte aber nicht zu einer Blockade während des Reitens führen. Sonst weiss man vor lauter komplizierter Erklärungen am Schluss nicht mehr, wo oben oder unten ist. Ein wahrer Meister kann die kompliziertesten Dinge mit ganz einfachen Worten vermitteln, dann bleibt noch genug Zeit fürs Fühlen und Geniessen.

Ermutigung für Erwachsene: Kopf aus – Popometer an
Was bringst Du einer Anfängerin als erstes bei?

Grundsätzlich bringe ich neben dem korrekten Umgang mit dem Pferd erst einmal einen ausbalancierten und zügelunabhängigen Sitz bei. Guter Longenunterricht ist hierbei unabdingbar. Dieser kann sich über Monate hinziehen und muss absolut nicht langweilig für Pferd und Reiter sein. Die ersten Reitversuche mit Zügeln machen meine Schüler immer gebisslos mit Knotenhalfter, Sidepull oder den Zügeln am Nasenband verschnallt. Das Maul des Pferdes ist „heilig“ und, die Hilfengebung über den Sitz korrekt zu erlernen, nimmt viel Zeit in Anspruch.

Anfängerunterricht sollte immer Einzelunterricht sein. Ich halte nicht viel vom Abteilungsreiten in grösseren Gruppen. Leider ist dies häufig aus Kostengründen für viele Betriebe und auch Schüler nicht anders möglich. Die besten Schulpferde und die erfahrensten Reitlehrer sollten im Anfängerunterricht eingesetzt werden. Auch hier klaffen Wunschvorstellung und Realität leider bisweilen weit auseinander.

Unterscheidest Du zwischen Kindern und Erwachsenen?

Bei Reitanfängern kommt es in meinen Augen darauf an, ob sie im Kindesalter zu Reiten beginnen, oder erst als Erwachsene. Kinder sind viel freier im Geist, beweglicher, ohne Vorurteile. Erwachsene Anfänger wollen meist zu viel mit dem Verstand begreifen, sind tendentiell unsicher und weniger experimentierfreudig als Kinder.

Kinder sind noch frei im Geist
Wie ist Deine Sicht auf sogenannte „untalentierte“ Pferde und Schülerinnen? Ein Reitkurs ist ja kein Kadertraining

Je unlösbarer die Aufgabe erscheint, desto motivierter bin ich. Doch wenn Mensch oder Tier nicht offen sind, sich weiterzuentwickeln, komme ich selbstverständlich an meine Grenzen.

Bei einem Kadertraining hast du auch nicht immer pures Talent auf beiden Seiten. Einen guten/talentierten Reiter messe ich nicht an seinen Erfolgen am Turnier. Ich frage mich: Hat er ein gutes Herz, ist er empathisch mit dem Pferd, kann er Geduld und Bescheidenheit zeigen? Hat er Freude an kleinen Erfolgserlebnissen, ist er bereit, Zeit für seine mentale und körperliche Fitness zu investieren? Wenn das so ist, dann entwickelt er seinen eigenen Reitstil. Ein guter Reiter hat fundiertes theroretisches Grundwissen, ohne dogmatisch zu sein.

Wer den schnellen Erfolg sucht, egal auf welcher Ebene, ist bei mir an der falschen Adresse

Hast Du einen Leitsatz beim Unterrichten?

Mein Leitsatz ist: Das Pferd bleibt immer ein Pferd und ist nicht Mittel zum Zweck. Wir sollten uns ihm mit Achtung und Respekt nähern und ihm seine natürlichen Verhaltensweisen lassen. Das Vertrauen des Pferdes ist schwer zu gewinnen und schnell zu verlieren!

Was willst Du Deinen Schülerinnen mitgeben?

Reite zu deiner Freude und zu der des Pferdes. Missbrauche das Pferd nicht, um deine eigenen Schwächen zu überdecken. Sei geduldig und lerne, die Bedürfnisse deines Pferdes zu fühlen.

Die gute Reiterin hat ein gutes Herz
Kritiker:innen sagen gerne, Dein Reitstil sei „öko“. Was wollen sie damit sagen?

Da müsste man zunächst die betreffenden Personen fragen. Vermutlich ist die Aussage in diesem Kontext nicht als Kompliment gemeint, sondern mit Begriffen wie „langweilig, unspektakulär, zu alternativ, zu wenig ehrgeizig“ oder was auch immer in Verbindung stehend.

Schenke Deinem Pferd ein Strahlen – Kamban frá Útnyrðingsstöðum
Wie stehst Du dazu?

Ich verbinde mit dem Begriff „öko“ Inhalte wie „nachhaltig, ressourcenschonend, verschleissarm, ohne Zusatzstoffe – respektive ohne technische Hilfsmittel und Tricks“.

Die ökologische Nachhaltigkeit beschreibt den langfristigen und rücksichtsvollen Umgang mit (endlichen) natürlichen Ressourcen, in diesem Fall dem Partner Pferd. Ein grösseres Kompliment kann man mir nicht machen, oder? Hier könnt ihr mehr über sie und Heljar nachlesen.

Achte auf die natürlichen Ressourcen deines Pferdes
Was wünschst Du Dir für den Reitsport?

Ich wünsche mir mehr Reiter und Reiterinnen, die ihre Pferde zum Strahlen bringen, egal ob in der Freizeit oder auf dem Turnierplatz.

Was ist Dein persönlicher Traum?

Wenn meine letzte Stunde geschlagen hat, möchte ich im Rennpass vom Blitz erschlagen werden.
Spass beiseite… Ich wünsche mir, dass ich noch sehr viele Jahre mit derselben Freude und Motivation meine Pferde und Schüler trainieren darf und dadurch ein paar mehr strahlende Reiter und Pferdeherzen auf dieser Erde leuchten.

Gemeinsam fliegen: Silvia und Vonarneisti frá Lynghaga. Foto: Patricia Strouckem

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