„Reiten ist kein Sport, da sitzt du ja nur auf dem Pferd.“ Vermutlich gibt es keinen Reiter, der diesen Satz noch nicht gehört hat. Falls es auch euch so geht und euch in solchen Momenten keine schlagfertige Antwort einfällt, haben wir hier ein paar tolle Argumente, warum Reiten echter Sport ist und wir uns alle als Sportsfreunde bezeichnen dürfen.
Autorin: Karolina Kardel, 360 Grad Pferd
Ok, wir geben zu: Beim Reiten werden nicht so viele Kalorien verbrannt wie beim Joggen. Zum Abnehmen ist Reiten daher eher ungeeignet. Aber wer das erste Mal auf einem Pferd sitzt, eine neue Lektion in der Reitstunde reitet oder nach längerer Pause wieder auf den Pferderücken steigt, der wird am nächsten Tag mit Sicherheit am ganzen Körper Muskelkater haben.
Muskeltraining von Kopf bis Fuß
Beim Reiten werden jede Menge Muskeln beansprucht, und zwar von den Beinen über Gesäß, Bauch, Rücken und Brust bis hin zu Schultern und Armen. Selbst Muskeln, die wir im normalen Alltag kaum oder gar nicht nutzen, kommen beim Reiten zum Einsatz.
Warum trainiert Reiten den ganzen Körper?
Ganz einfach: Beim Reiten müssen wir uns ständig den Pferdebewegungen anpassen und uns ausbalancieren, um das Gleichgewicht zu behalten – und das von Kopf bis Fuß. In jeder Gangart werden die Muskeln anders gefordert, schließlich sind Schritt und Tölt ein Viertakt, Trab ein Zweitakt und Galopp ein Dreitakt. Unsere Muskulatur wird dabei rhythmisch an- und abgespannt. Und das wiederum bringt gleich zwei positive Aspekte mit sich: Die Muskeln werden gestärkt und tief sitzende Verspannungen werden gelöst. Schauen wir uns die beim Reiten am meisten beanspruchten Muskelgruppen einmal genauer an:
Rückenmuskulatur
Dass Reiten gut für den Rücken ist, das ist kein Geheimnis. Der aufrechte Sitz und das ständige Mitgehen mit der dreidimensionalen Bewegung des Pferdes stärkt und lockert unsere Rückenmuskeln gleichermaßen, da sie in regelmäßigen Intervallen angespannt und entspannt, gedehnt und gelockert werden. Auf diese Weise wird die Wirbelsäule gestärkt und stabilisiert. Auch die Bandscheiben werden bei korrekter Haltung entlastet, weil das Becken die Arbeit der Bandscheiben übernimmt. Wenn jedoch eine Rückenerkrankung vorliegt, sollte zunächst mit dem zuständigen Arzt geklärt werden, ob geritten werden darf.
Bauchmuskulatur
Reiten ist super für die Bauchmuskulatur! Durch den aufrechten Sitz und das Aufnehmen der Pferdebewegung werden nämlich nicht nur unsere Rückenmuskeln, sondern auch ihre Gegenspieler, unsere Bauchmuskeln gestärkt. Die Bauchmuskeln nutzen wir zum Beispiel für Versammlung und Paraden sowie für die Gewichtshilfen.
Beckenboden
Auch die Beckenbodenmuskulatur wird beim Reiten ordentlich gestärkt, denn die vielen verschiedenen Bewegungen, die wir Reiter auf unserem Pferd mit dem Becken machen aktivieren die Beckenbodenmuskeln. Die Stabilität und Flexibilität, die einen guten Reitersitz ausmachen, sind nur möglich mit einer starken Mitte.
Schulter- und Armmuskeln
Viele Reiter haben kräftige Schultern und starke Armmuskeln. Wer jetzt aber denkt, das kommt davon, dass diese Reiter viel am Zügel ziehen, der irrt! Allein das selbstständige Halten der Arme und Hände ist gut für die Muskulatur. Außerdem findet immer wieder ein leichtes An- und Abspannen der Muskeln statt, beispielsweise um Paraden zu geben. Auch das ganze Drumherum – Pferd putzen, Sattel tragen, Stall ausmisten, Longieren – ist ein super Training für Arme und Schultern.
Beinmuskeln und Gesäß
Die klassischen Schenkelhilfen trainieren durch das regelmäßige An- und Abspannen effektiv unsere Beinmuskeln, insbesondere unsere hintere Oberschenkelmuskulatur. Die korrekte Beinhaltung braucht ebenfalls Muskelkraft. Reiten im leichten Sitz zum Beispiel, wie es die Springreiter vielfach praktizieren, stärkt ebenfalls die Oberschenkelmuskulatur und trainiert das Gesäß.
Reiten ist aerobes Ausdauertraining
Neben den vielen verschiedenen Muskelpartien trainiert das Reiten auch unsere Ausdauer (über Kondition- und Ausdauertraining bei Pferden haben wir hier berichtet). Beenden wir unsere erste Reitstunde vielleicht noch schwitzend und mit hochrotem Kopf, so steigert sich unsere Ausdauer mit der Zeit und wir können auch einen mehrstündigen Ausritt im Gelände gut meistern.
Eine aerobe Ausdauer, also eine gute allgemeine Leistungsfähigkeit, ist wichtig beim Reiten. Doch was heißt das? Aerobe Ausdauer bedeutet, dass dem Körper genug Sauerstoff zur oxydativen Verbrennung zur Verfügung steht. Konkret heißt das: Sauerstoffaufnahme und Sauerstoffverbrauch sind ausgeglichen. Ist die Belastungsintensität zu hoch und reicht die Sauerstoffzufuhr nicht aus, dann wird von anaerober Ausdauer gesprochen. Ein Sauerstoffdefizit entsteht.
Die aerobe Ausdauer wird gefördert, wenn die Belastungsintensität unter der anaeroben Ausdauer liegt und mindestens 1/7 aller Muskeln beteiligt sind. Bei aerober Langzeitbelastung kommt es zu einem Zusammenspiel von Fettstoffwechsel und Glukosestoffwechsel. Je mehr die Belastungsdauer steigt, desto mehr greift der Fettstoffwechsel und desto geringer wird der Glukosestoffwechsel. Aerobe Ausdauer hat einen positiven Einfluss auf Muskulatur, Herz-Kreislauf, Atmung, Blut, Skelett, Nervensystem und Energiestoffwechsel.
Reiten fördert die Koordinationsfähigkeit
Reiten hat noch einen weiteren Vorteil: Es fördert unsere Koordinationsfähigkeit. Die Koordination spielt beim Reiten eine wichtige Rolle, denn jedes Körperteil muss unabhängig von den anderen eingesetzt werden können. Mal gibt die linke Hand eine Parade, mal die rechte Hand. Dann soll noch das linke Becken vorgeschoben und die rechte Schulter zurückgenommen werden. Außerdem baut das Reiten auf einer diagonalen Hilfengebung auf: Die linke Hand korreliert mit dem rechten Bein und das linke Bein mit der rechten Hand. Da ist Koordination pur gefordert und so mancher Fußballspieler ist neidisch auf unsere koordinativen Fähigkeiten.
Zusammengefasst: Reiten ist Muskeltraining von Kopf bis Fuß
Zusammengefasst lässt sich also sagen: Reiten stärkt nicht nur jede Menge Muskeln, sondern es fördert auch Ausdauer und Koordination. Damit ist Reiten Sport pur! Wie ihr mit gezieltem Ausgleichssport noch besser und feiner reiten könnt, verraten wir euch in einem unserer nächsten Blogartikel. Wer noch mehr lesen will geht auf den Blog von unserer Autorin.