Kondition beim Pferd: Extrem wichtig und leicht zu trainiern

Schwarzer Isländer im Galopp mit grüner Satteldecke
  1. Definition. Was versteht man unter Kondition?

  2. Bedeutung. Warum ist Kondition wichtig?

  3. Physiologie. Welche Vorgänge laufen im Pferd ab?

  4. Energiestoffwechsel. Wie funktioniert das?

  5. Training. Wie steigere und sichere ich Leistung?

  6. Hitzeregulierung. Wo ist die Belastungsgrenze?

Autorin: Veronika Conen, CEO Sportsfreund Studios

1. Definition. Was versteht man unter Kondition?

Wörtlich genommen heißt Kondition bloß »Zustand«, weshalb wir korrekt von guter oder schlechter Kondition sprechen. Gewöhnlich stellen wir uns aber mehr vor: »Der Anpassungszustand des Pferdes und seines ­gesamten Organismus an die jeweiligen ­Anforderungen« lautet eine Definition. Das heißt, es kann alles leisten, was von ihm verlangt wird. Kondition bedeutet ­Fitness und umfasst die Systeme von Herz-Kreislauf, ­Stoffwechsel, Bewegungsapparat, Koordination und Psyche.

Kondition ist der Momentanzustand von Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit. Ziel eines Trainings ist die Verbesserung dieser Parameter, und zwar in der genannten Reihenfolge.

2. Bedeutung. Warum ist Kondition wichtig?

Man könnte sagen, für zwei Mal eine Stunde ­Ausreiten die Woche braucht mein Pferd doch keine Kondition. ­Kondition ist aber wichtig für die Gesundheit und ­wichtig für alle Pferde, die eine gewisse Leistung ­erbringen sollen: Sie verhindert Verletzungen und Überforderung. Das oberste Ziel einer Grundkonditionierung lautet, die ­physiologischen Grundlagen und den Stoffwechsel so zu entwickeln, dass das Pferd Belastungen bei minimiertem Verletzungsrisiko aushält.

Wollen wir uns als Menschen einmal in das Pferd hineinversetzen, stellen wir uns folgendes vor: Ich muss mit einem schweren Rucksack dreimal über den ­Reitplatz gehen. Bei meiner aktuellen Fitness kein Problem. Die nächsten drei Runden absolviere ich im Joggen. Geht auch noch, aber ich muss schon ein bissl schnaufen. Mein Trainer ist leider erbarmungslos und fordert mehr: erst den Kasperlhupf, dann Walzerschritte und noch eine Pirouette und überhaupt, bitte alles etwas ­schneller. Außerdem soll ich nicht so stöhnen und rot im Gesicht sein. Er will, dass ich gut aussehe und strahle. Nach einer Dreiviertelstunde stolpere ich und hole mir eine Bänderzerrung.

Eine gute Kondition bringt dem Pferd Vorteile. Es kann sich nicht nur von A nach B bewegen, sondern hat extra Energie für andere Dinge, wie den Reiter tragen, den Rücken aufwölben, Dressurlektionen, Ovalbahnprüfungen. Und zwar mit Ausstrahlung, weil es ihm leicht fällt. Die Psyche des Pferdes profitiert ebenfalls, was das Miteinander mit dem Menschen erleichtert.

Ein Pferd, das nicht nach drei Runden Trab nach Luft ringt, fühlt sich stark und motiviert. Es fragt, »was kann ich noch für dich tun?«.

Kondition macht ein Pferd mutig und ­selbstbewusst. Es kann Aufgaben locker bewältigen und nicht gerade eben so. Was einfach ist, macht Spaß. Kondition ist der beste Schutz vor Überforderung. Das Pferd wird so trainiert, dass es konditionsmäßig nicht von der Hand in den Mund leben muss – es soll was auf der hohen Kante haben. So verfügt es über ausreichend Reserve bei besonderer Belastung oder Krankheit.

Die Erlangung der Grundkondition ist ein Langzeitprojekt. Sein Pferd mal schnell »fit machen fürs Turnier« ist weder gesundheitsfördernd noch dauerhaft von Erfolg gekrönt.

3. Physiologie. Welche Vorgänge laufen im Pferd ab?

Wie sieht Kondition aus? Kann man einem Pferd in Ruhe ansehen, ob es Kondition hat? Könnte man das bei einer Obduktion ohne Vorkenntnisse über das Pferd feststellen? Was passiert im Pferd? Wenn wir von ­Kondition reden, meinen wir meistens, wie schnell wir ins Schnaufen kommen. Irgendwie ist der Begriff nicht ganz greifbar, auch wenn wir fühlen können, ob unser Pferd lange durchhält bzw. früh schlapp macht.

Kondition ist der äußere Ausdruck konkreter physiologischer Zustände.

Alle Abteilungen des Organismus sind ­­beteiligt: Herz-Kreislauf-Atmung, ­Muskulatur, Stützgewebe, Knochen, Hufe, Psyche. Diese verschiedenen Gewebe und Systeme sind ­entsprechend der Auflistung unterschiedlich gut mit Blut ­versorgt. Je durchbluteter, desto schneller reagieren sie auf Trainingsreize und verändern sich. Umgekehrt bedeutet das, je träger sie sind, desto länger müssen sie trainiert werden.

a) Herz-Kreislauf-Atmung

Dieses System umfasst Herz und Arterien, Venen und Kapillaren. Sie transportieren Sauerstoff sowie Nährstoffe und Abfälle durch den Körper. Sie ­versorgen die ­Muskeln und Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen und schwemmen Abfallprodukte des Stoffwechsels ­wieder aus. Die Lunge und mit ihr die Atmung sind auch ein Teil davon: Durch den Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid ist die Lunge direkt mit dem ­Blutkreislauf verbunden. Bei steigender Belastung müssen diese Stoffe immer schneller befördert werden.

Was geschieht, wenn wir beginnen, unser Pferd zu trainieren?

Die Sauerstoffzufuhr zum Gewebe verbessert sich, weil sich ein weitverzweigtes Netzwerk von Blutgefäßen und Kapillaren bildet. Diese Strukturen wachsen bei Belastung und erhöhen somit die Kapazitäten für den ­Transport von Sauerstoff und Nährstoffen in die ­Muskel und den schnelleren Abtransport von ­überflüssigen Stoffen und Produkten aus den Muskeln.

Das Herz ­verbessert seine Pumpleistung. Der Herzmuskel zieht sich kräftiger zusammen und kann mit jedem Schlag mehr Blut ins Gewebe pumpen. Damit sinkt die ­Herzfrequenz. Beim Pferd sind das 40 bis 200 Schläge. Für den Menschen würde das bedeuten, dass er nicht mehr so schnell »auf Hundertachtzig« ist.

Bei Belastung erfolgt eine Umleitung der Blutströme: Im Ruhezustand zirkulieren rund 15% zum Muskel, bei Belastung bis zu 80%, bei Ruhe beansprucht das ­Gehirn ca. 10%, bei extremer Belastung bekommt es nur noch 2 % des Blutes. Je intensiver trainiert wird, ­desto mehr rote Blutkörperchen zirkulieren im Blutstrom.

Die Milz legt eine größere Reserve an, die bei Bedarf genutzt werden kann. Der höhere Hämoglobinspiegel bewirkt, dass mehr Sauerstoff zum arbeitenden ­Muskel transportiert werden kann. Die Speicherkapazität für Erythrozyten lässt sich also trainieren.

Das Leistungspotential des Pferdes hängt von seinen Energiereserven und dem verfügbaren Sauerstoff ab.

Atmung bedeutet die Aufnahme von Luft/Sauerstoff. In den Lungenbläschen ­findet die Übergabe von ­Sauerstoff in den Blutkreislauf statt. Atmung ist aber auch der Abtransport des Abfallproduktes Kohlendioxid aus dem Körper. Ebenfalls werden bei dem Prozess Flüssigkeit und Wärme an die Umwelt abgegeben. Die Atmung dient demnach auch der Regulation des Wasser- und Wärmehaushalts.

Ein Pferd macht in der Minute 8 bis 120 Atemzüge. In der höchsten ­Frequenz entspricht die Anzahl der Atemzüge der Anzahl der möglichen Galoppsprünge, und hat damit limitierenden Charakter. Umgesetzt wird ein Volumen von 50 – 1800 Litern pro Minute.

Für derartige Leistungen ist ein minimaler Atemwiderstand vonnöten: Hyperflexion oder zu starke Beizäumung verursachen Strömungsverengungen. Ein freier Luftstrom durch die Atemwege gewährleistet das ungehinderte Arbeiten der Lunge und die Sauerstoffversorgung der Muskeln.

Der Atemapparat ist leider nur eingeschränkt trainierbar. Das Gewebe, das den Sauerstofftransport von der Lunge ins Blut bewirkt, lässt sich durch ­Training nicht vermehren oder verbessern. Im ­­­­Umkehrschluss sind ­Beschädigungen weitgehend bleibend. Das ­Atemvolumen aber, also die Sauerstoffmenge pro Atemzug, kann durch Übung der ­Atemtechnik und ­Atmungsmuskulatur vergrößert werden.

Und Deshalb sind alle ­Maßnahmen von Bedeutung, die dem Erhalt der ­Funktionsfähigkeit der Lunge dienen. Dazu ­gehören staubarmes Futter, ­frische Luft sowie Bewegung im Sinne einer ­angepassten Belastung durch ­langsam ­aufbauendes Herz-Kreislauf-Training. Schlecht ­trainierte ­Pferde ­können nach Höchstbelastung in der Lunge ­bluten. Eine Sauerstoffschuld entsteht im Muskel. Der Sauerstoffmangel macht das Blut dicker, der Blutdruck steigt.

Die Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems ist die unverzichtbare Basis der Grundkonditionierung und des Ausdauertrainings.

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b) Muskulatur

Die Muskulatur hat vier funktionelle Bereiche: ­Ausdauer, Schnellkraft, Koordination, Flexibilität. Muskeln sind von Natur aus gut durchblutet und profitieren von einem gut ausgebauten Herz-Kreislauf-System. Sie sind ­durchzogen von einem dichten Kapillarnetz, das die Durchblutung und Versorgung gewährleistet. Durch Training verbessert sich dieses Netz weiter und damit die Versorgung des Muskels. Er kann im sogenannten aeroben Stoffwechsel mehr Sauerstoff aufnehmen und verwerten.

Im Muskel finden Enzymaktivitäten statt, die der biochemischen Energieerzeugung dienen. Auch die intensivieren sich. Die Abläufe der Energiespeicherung und des Energiestoffwechsels werden optimiert. Ein ­Nebenprodukt des Muskelstoffwechsels ist ­Wärme, ­deren Abtransport wiederum durch die leistungsfähige Infrastruktur erleichtert wird. Muskelfasern »­lernen«, d.h., sie ziehen sich möglichst energiesparend ­zusammen.

Es gibt drei unterschiedliche Fasertypen:

Typ I: langsam kontrahierend, ermüdungsresistent, flach, Ausdauertraining, aerobes System

Typ IIA: schnell kontrahierend, ermüdungsresistent, Ausdauer- und Schnelligkeitstraining, aerobes/­anaerobes System

Typ IIB: schnell kontrahierend, schnell ermüdend, dick, Schnellkraft, anaerobes System

Daraus ergeben sich je nach Aufgabe des Muskels verschiedene Trainingsansätze:

Ausdauertraining – lange langsam laufen
Krafttraining – bergauf reiten, Dressur
Parallel dazu werden geübt:
Flexibilität – Dressur, Dehnen, Biegen
Koordination – Springen, Geländeschwierigkeiten, Propriozeptionstraining

Neben Ausdauer und Kraft muss in jedem Fall die ­Koordination der Muskelbewegung geübt werden. Dafür ist das Nervensystem zuständig. Das Zusammenspiel von Arbeitgeber (Pferdehirn) und Arbeitnehmer (­Muskel) über das Telefon des ­Nervensystems kann ­trainiert ­werden. Durch beständiges Üben werden ­Nervenbahnen und Synapsen gebildet. Pferd und ­Reiter profitieren von ­einem eingespielten Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis. Lohn der Arbeit sind ein koordinierter Bewegungsablauf, Trittsicherheit und ­flüssige Gangarten, die Energie sparen und vor Verletzung schützen.

c) Stützgewebe

Hierunter versteht man Bänder, Sehnen, Gelenke, ­Knorpel und Hufe. Sie sind schwächer durchblutet, ­reagieren also langsamer auf Trainingsreize.

Bänder verbinden Knochen mit Knochen. Bänder halten die ­Gelenke ­zusammen und kontrollieren Bewegungsrichtung und ­Bewegungsfreiheit.

Sehnen verbinden die Muskulatur mit den Knochen. Sie gleichen einem aus unzähligen Gewebefasern zusammengesetzten, nur bedingt elastischen Drahtseil. Sie wirken bei der Bewegung wie Federn. Bei Dehnung (Auffußen) nehmen sie Last und Energie auf und s­etzen sie dann in Bewegungsenergie um.

Sehnen und Bänder müssen kräftig und elastisch sein. Das beste Training für die Belastbarkeit der Sehnen ist so viel Auslauf und Bewegung wie möglich in der ­Jugend. Eine Verbesserung der Qualität der Sehnen und Bänder erfordert häufige, ruhige und ­regelmäßige Bewegung über Monate.

Islandpferd Rappe mit Satteldecke im Galopp

Später erfolgen ­langsam steigende Trainingsreize durch unterschiedliches Terrain und ­belastendere Bewegung. Der wirksamste Schutz für Sehnen liegt in ­einer starken Muskulatur.

Wir können uns eine Sehne vorstellen wie das Seil eines Baggers, das den Motor mit der Schaufel verbindet. Hier ist nicht nur die Bewegung wichtig, sondern vor allem die Dämpfung der Bewegung. Der Baggerführer bremst das Herunterfallen der ­Schaufel mit dem Motor. Im Vergleich dazu dämpfen die Muskeln über die Sehnen den Aufprall z.B. des Vorderbeins.

Was passiert aber im Falle einer Verletzung? Der ­Sehnenapparat wird beim Aufprall überlastet, da ihn die Muskeln aufgrund Energiemangels nicht dämpfen ­konnten. Zurück zum Bagger: Die Schaufel saust nach unten, der Motor stottert und kann den Fall nicht mehr weich bremsen. Entweder knallt die Schaufel auf die Erde und etwas bricht, oder die Seilsperre wird reingehauen und die Seile reißen.

Gelenke sind Knochen-Knochen-Verbindungen. Alle Knochenenden sind von Knorpelmasse umgeben. Die Knorpelschichten gleiten als Kugellager gegeneinander. Je nach Belastung reichert sich dazwischen Gelenkschmiere an. Zusammen mit dem Knorpel begünstigt sie die Gleitfähigkeit der Knochen aufeinander und damit eine Abpufferung von Druck. Die Bildung der so genannten Synovialflüssigkeit findet unter­ ­Belastung auf Anforderung statt. Das geschieht in der rund ­20 minütigen Aufwärmphase. ­Ständige Belastung im Training regt, ähnlich den Schwielen an den Händen, das Knorpelwachstum an.

Bestes Training für gesunde Gelenke ist reichlich Auslauf in der Jugend.

d) Knochen

Knochen als Bestandteile des Skeletts reagieren ­ebenfalls auf Reize. Freilich am langsamsten, weil sie am schwächsten durchblutet werden. ­Knochensubstanz passt sich nur über Monate und Jahre hinweg an ­Belastungen durch Bewegung an. Die knochenaufbauenden ­Zellen in den Knochen werden angeregt, einen Umbau vorzunehmen. Es erfolgt dann eine ­Zunahme an Knochenmasse, Knochendurchmesser und ­mineralischer ­Knochendichte. Ruhe und ­Belastungsminderung fördern hingegen ­Knochenabbau, Knochenmasse schwindet.

Auch ­Knochen werden am nachhaltigsten in der Jugend trainiert. Das macht sie robust und weniger anfällig für Mikrofrakturen und ­Knochenabsplitterungen. Reize zum Umbau steigen mit der Intensität des Trainings.

e) Hufe

Hufe sind ein eigenes, ausuferndes Thema. Auch hier gilt, Hufhorn ist eher schwach durchblutet und zeigt deshalb eine langsame Reaktion, profitiert aber von Trainingsreizen und einem verbesserten Stoffwechsel durch Konditionstraining.

f) Psyche

Psyche und Körper sind beim Pferd untrennbar verbunden. Könnte ein Pferd sprechen, würde es ziemlich sicher nie so etwas sagen wie »ich und mein Körper«. Wenn es sich ausdrückt, drückt es sich mit der ­Sprache der Körpers aus. Wir sehen und erleben unsere ­Pferde genauso ganzheitlich. Wenn wir unser Pferd lieben, dann nicht nur wegen seines Wesens, sondern auch oder ­gerade wegen seines Körpers.

Daraus folgt, was Fitnesstrainer auch uns Menschen predigen: Ein starker Körper macht eine starke Psyche und umgekehrt. Das Pferd ist ein Fluchttier, und ­deshalb verleiht Fitness ihm ein Gefühl der Sicherheit, Mut und Selbstbewusstsein. Das Pferd ist ein Bewegungstier und hat Freude an der Bewegung. Sie entspricht seinem Wesen und macht es ausgeglichen.

Und das Pferd ist ein soziales Wesen: Um seinem Reiter zu gefallen, will es die gestellten Aufgaben bewältigen können. Wenn ihm Kraft und Ausdauer dazu fehlen, mündet dies in Überforderung und Stress oder gar Verweigerung, Widersetzlichkeit und Durchgehen. Hier unser Blogbeitrag zu Pferdefreundlichem Training.

Dank physischer Stärke kann es alles, und alles ist leicht. Psychische Stärke macht das Pferd gelassen, neuen ­Aufgaben gegenüber aufgeschlossen, lernfähig weil entspannt, kooperativ und konzentrationsfähig.

4. Energiestoffwechsel. Wie funktioniert das?

Bewegung entsteht dadurch, dass sich Muskeln zusammenziehen und wieder ausdehnen. Für diese Arbeit brauchen sie Energie. Die Energie wird bezogen aus Nährstoffen und Sauerstoff.

Zu Beginn etwas Biologie: Das Pferd frisst hauptsächlich Gras, Heu und Getreide. Der wichtigste Nährstoff darin sind Kohlenhydrate. Diese Kohlehydrate werden im Dünndarm zu Glukose oder Traubenzucker ­umgebaut. Ein Teil der Glukose wird sofort ­verbraucht für ­Gehirn- und Nervenzellen. Der Rest wird von ­Leber- und­ ­Muskelzellen in Glykogen umgewandelt und so ­gespeichert. Wenn dann immer noch Glukose übrig ist, wird sie als Fett gespeichert.

a) Wie entsteht Energie?

Über eine ganze Reihe von komplizierten Prozessen wird aus den gespeicherten Nährstoffen ATP = Adenosintriphosphat hergestellt. Diese Aufgabe ­erledigen die ­Muskelzellen. ATP ist ein energiereiches ­Molekül. Es setzt sich aus Proteinen zusammen, die durch ­energiereiche Bindungen miteinander verkettet sind. Wenn das ATP wiederum zerfällt, d.h. wenn diese ­Bindungen ­gespalten werden, wird Energie freigesetzt. Das ist Stoffwechsel. Nach dem Zerfall muss neues ATP aufgebaut werden, um den Energiefluss zu erhalten. ATP ist die ­Energiequelle für sämtliche Körperfunktionen. Es ist die Energiewährung des Körpers und hält alles in Gang – vom mikroskopisch kleinen Zellprozess bis hin zur sichtbaren Muskelkontraktion.

Aufgabe des Stoffwechsels ist, die Energiegewinnung so sparsam und effektiv wie möglich zu betreiben. ­Möglichst wenige Nährstoffe sollen verbraucht ­werden, um das wertvolle ATP herzustellen. Je ­langsamer die ­Glykogen- und Fett-Depots geleert werden, desto ­l­­änger kann der Organismus arbeiten.

b) Die zwei Energiestoffwechselsysteme: aerob und anaerob

Der ökonomischste Prozess ist der aerobe Energiestoffwechsel. Er findet unter Anwesenheit von Sauerstoff statt, und zwar bei niedriger bis mittlerer Anstrengung, wie Schritt, ruhigem Trab oder Tölt. In den Mitochondrien, den »Energiefabriken«, werden mit Hilfe des ­vorhandenen Sauerstoffs Nährstoffe »verbrannt«. Bei aerober Arbeit verbrennt der Körper zuerst die Fette, dann die Kohlenhydrate. Die Glykogendepots werden so für spätere Verwendung geschont. Es entstehen Kohlendioxid, Wasser und rund 36 Moleküle ATP. Kohlendioxid und Wasser sind unschädliche Nebenprodukte des Stoffwechsels, die einfach ausgeschieden werden.

Der aerobe Stoffwechsel setzt im Verhältnis zum ­Verbrauch der eingesetzten Nährstoffe die größten Mengen ATP frei. Die Nutzung aerober Energiequellen wie Fetten verzögert Ermüdungserscheinungen, die sonst mit der Erschöpfung der Glykogenreserven einhergehen. Außerdem produziert die Fettverbrennung rund 30% weniger Wärme. Bei aerober Arbeit kann permanent Nachschub an ATP produziert werden.

Weniger wirtschaftlich ist der anaerobe Energiestoffwechsel. Er findet unter Sauerstoffmangelbedingungen statt. Bei besonders anstrengenden Bedingungen wie Sprints, Bergaufreiten, Springen und Hoher Schule ist die Kapazität für Sauerstoffaufnahme nicht ausreichend. Jetzt wird ohne Sauerstoff aus Glykogen ATP hergestellt. Im Vergleich zum aeroben Stoffwechsel werden aber nur 2 Moleküle ATP freigesetzt (statt 36), und als Nebenprodukt entsteht Milchsäure. Dieses Laktat kann nicht sofort ausgeschieden werden, sondern lagert sich im Gewebe ab und lässt dann den Muskel ermüden. Eine Überladung mit Laktat schädigt die Zellen. Das Pferd bekommt schmerzhaften Muskelkater.

Vorteil des anaeroben Stoffwechsels: Diese Art von ­Energie ist schnell verfügbar, wenn Sauerstoff nicht ausreicht, allerdings nur bei besonders anstrengenden sportlichen Aktivitäten und über einen kurzen Zeitraum.

c) Was ist nun der tiefere Sinn des Trainings?

Der Sinn eines jeden Trainings ist es, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems fördern, damit immer genügend Sauerstoff zur Energiegewinnung zur Verfügung steht.

Unter aeroben Bedingungen kann das Pferd am schonendsten und sparsamsten arbeiten. Seine Nährstoffdepots werden geschont, und als Stoffwechsel-Reste fallen lediglich Wasser und Kohlendioxid an. Je besser die Kondition, also die Fähigkeit, Sauerstoff aufzunehmen und mittels eines starken Kreislaufs zu transportieren, desto besser ist die aerobe Leistungsfähigkeit. Umgekehrt bedeutet das: desto später tritt Sauerstoffmangel ein und damit die Aktivierung des anaeroben Systems. Außerdem optimiert Konditionstraining im aeroben Bereich die Fettverbrennung, was wiederum Glykogen spart.

Das untrainierte Pferd wechselt früher als das trainierte in den anaeroben Stoffwechsel. Damit reichert es ­schneller das schädliche Laktat in den Muskeln an. Man spricht auch von Übersäuerung. Die Kraft der Kontraktion lässt nach. Die Glykogendepots sind bald aufgebraucht. Dem Pferd geht der Brennstoff aus. Die Folge sind Müdigkeit, Leistungsabfall, Schmerzen. Das heißt aber nicht, dass der anaerobe Stoffwechsel an sich schlecht ist. Die Natur hat ihn erfunden für außergewöhnliche Belastungen.

Hier ist eben zu beachten, dass auch ein fittes Pferd nur etwa vier Minuten lang anaerob volle Leistung bringen kann. Dann wird die Milchsäurekonzentration so hoch, dass es Ermüdung zeigt. Nach Beendigung anaerober Arbeit atmet das Pferd tief und schnell, um das Sauerstoffminus auszugleichen und Kohlendioxid los zu werden. Das Herz schlägt schneller, um die Sauerstoffversorgung zu beschleunigen und Milchsäure und aufgestaute Wärme auszuschwemmen. Das zeigt sich in einem hohen Puls. Ein Pferd mit guter Kondition und gut trainiertem aerobem Stoffwechsel erholt sich schneller.

Trainingsziel ist die Anhebung der sog. anaeroben Schwelle. Beide Systeme werden trainiert, wobei der Zeitpunkt nach hinten verschoben wird, zu dem das Pferd vom aeroben ins anaerobe Energiesystem ­wechselt und die Laktatwerte steigen.

5. Training. Wie steigere und sichere ich Leistung?

Beim Training gilt es, folgenden Zyklus zu beachten:

a) Belastung – Erholung – Anpassung – Belastung

Während des Trainings werden sog. Trainingsreize ­gesetzt. Ein Trainingsreiz ist dann gegeben, wenn eine Belastung so hoch ist, dass der Körper des Pferdes mit einem Ausbau = Anpassung der Leistungsfähigkeit ­reagieren muss. D.h. also, wer sein Pferd niemals ­fordert, fördert auch nicht dessen Kondition. Das ist falsch verstandene Schonung.

Unterschwellige Belastungen bleiben wirkungslos und führen bestenfalls zum Erhalt. Das gleiche gilt auch, wenn nach der Arbeit keine Ermüdung auftritt. Wirksame Trainingsreize ­zeigen notwendigerweise Ermüdungserscheinungen.

Weder zu schwache noch zu starke Trainingsreize werden wirksam.

Im Detail passiert Folgendes: Im Laufe jeder Trainingseinheit entstehen an Muskeln, ­Sehnen und Bändern Mikroschäden. Das ist an sich nichts Schlimmes. In der Erholungsphase beseitigt der Körper nun diese Strapazen, indem er die Schäden nicht nur repariert, ­sondern an den Teilen ein regelrechtes ­Tuning vornimmt. Er baut die Fähigkeit aus, mit Belastungen leichter fertig zu werden. Die Gewebe passen sich so an höhere Belastungen an. Das nennt man ­Anpassung.

Außerdem füllt der Körper in der Erholungsphase seine Energietanks wieder auf, Nährstoffreserven wie das Glykogen ausgeglichen, der Enzymhaushalt wird geregelt und giftige Stoffwechselprodukte wie Laktat ­werden ausgeschwemmt. ­Diese Prozesse funktionieren bei leichter Bewegung am ­besten. Deshalb wärmen wir das Pferd ab. Weide oder Paddockgang sind anschließend sehr förderlich.

b) Wie lange dauert eine Erholung bzw. Anpassung?

Der Phosphortank (anaerob) ist in wenigen Minuten ­wieder aufgetankt, das Sauerstoff-Defizit in max. 30 min ausgeglichen, die Glykogenreserve im Muskel füllt sich in 48 Stunden wieder auf. Der Laktatabbau ­dauert je nachdem ein paar Minuten bis mehrere Tage. Der ­Aufbau = Anpassung von Kreislauf und Muskeln Tage bis Wochen. Hufe, Sehnen und Knochen benötigen ­Monate. Es ist also wichtig, dass den Belastungsperioden immer entsprechende Regenerationszeiten ­folgen.

Nur so können Gewebeumbau und Erneuerung ­stattfinden. Wenn derartige Zeiten nicht eingehalten werden, erfolgt im ungünstigsten Falle Abbau. Vor ­Turnieren empfiehlt sich beispielsweise eine zweitägige Pause, damit das Pferd mit vollen Tanks starten kann. Durch diesen ­Prozess wächst mit zunehmender Anpassung ein durchtrainierter Athlet heran. Umgekehrt wird durch verlängerte Pausen und damit dem Ausbleiben des Belastungsreizes ­Kapazität abgebaut. Als erstes geht das Tempo flöten, dann die Kraft und als letztes die Ausdauer.

Schimmel Isländer Hengst im Tölt mit Satteldecke
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c) Wie baue ich ein gutes Konditionstraining auf?

a) Basistraining – LSD – Long Slow Distance Training

Long Slow Distance Training ist ein Begriff aus dem Vielseitigkeits- und Distanzsport. Es ist die Methode des kontinuierlichen Konditionsaufbaus und ist gültig für jedes Sport- und Freizeitpferd. LSD heißt, das Pferd geht im Schritt und Reisetrab (Begriff aus der Military) bei gleichbleibend langsamem Tempo lange Strecken bzw. lange Zeit im Gelände. Das bedeutet im Schnitt mindestens 1 Std oder 8 – 10 km. LSD beinhaltet die mäßige Beanspruchung des Herz-Kreislauf-Apparats und aller Gewebe des Muskel- und Skelett-Systems. Das Training findet im aeroben Bereich bei einem Arbeitspuls von rund 120 – 150 bpm statt. Ruhiger Trab ist nicht schneller als 12 km/h. Wenn man sie lässt, finden die meisten Pferde von selbst ein gleichmäßiges Tempo und halten ihren Puls auf Wohlfühlniveau. Von Natur aus sind Pferde auf Energiesparen ausgelegt. Erfahrene Pferde finden selbst den magischen Pulswert der aeroben Energiegewinnung und passen dann ihr Tempo an Gelände und Geläuf an.

Voraussetzung dafür ist, dass das Pferd zunächst vom Reiter konsequent zum langsamen Laufen angehalten wird. Dabei darf es lange laufen. So erhält das Pferd die Möglichkeit, sich einzulaufen. Es bekommt die Zeit, einen ruhigen, kraftsparenden Laufstil zu erlernen. Zu schnelles Laufen resultiert häufig aus einer mangelhaften Balance. Über die verlängerten Reprisen macht es zudem die wertvolle Erfahrung, dass es sich seine Kraft einteilen muss. Tendenzen zum Rasen lösen sich durch langes Laufen oft schon von alleine und es wird immer leichter, das Pferd ohne Kampf zum langsamen Laufen anzuhalten. Nicht erwünscht ist ein Laufstil, bei dem das Pferd in wiederholten kurzen Reprisen »losschießt« bzw. »abgeht« und sich entlädt.

Wie lange dauert langes Traben?

Je nach Fitness fängt man mit 10 Minuten Trab im Wechsel mit 10 Minuten Schritt an und steigert sich dann sukzessive auf 30 ­Minuten Trab am Stück. Immer im Wechsel mit 10 ­Minuten Schritt. Zum Abschluss geht man 20 min Schritt.

Welchen Umfang soll eine Trainingseinheit insgesamt haben? Damit das Training Wirkung zeigt, sollte der Ausritt 1 – 1 ½ Stunden dauern bzw. mindestens über 10 km gehen.

Wie oft soll LSD trainiert werden?

Drei Mal die Woche, dazwischen Platz, Bahn, Longieren und Pause. Nach starker Belastung empfiehlt sich einmal Longieren und einmal Stehen.

Wie steigert man die Leistung?

Die Anforderungen ­werden mit der erfolgten Anpassung allmählich gesteigert. D.h. immer wenn das Pferd ein Level mehrmals locker geschafft hat, kann man zum nächsthöheren ­übergehen. Aber immer nur eine Sache: entweder Streckenlänge oder Trabdauer oder Umfang oder Intensität, nie beides gleichzeitig!

Beispiel: Zuerst steigert man die Streckenlänge von 10 auf 12,5 km bei einem Rhythmus von 10 min Trab/10 min Schritt. Wenn das problemlos klappt, erhöht man die Frequenz auf 15/10. Dann auf 20/10 aber wieder auf 10 km runter.

b) Leistungstraining

Wenn der Reisetrab ohne wenn und aber über längere Dauer funktioniert, d.h. mindestens 6 Wochen­ ­konsequentes Traben im aeroben Bereich stattgefunden hat, dann kann man schön langsam ab und zu die anaerobe Schwelle ankratzen. Dafür werden kurze Galoppreprisen eingebaut, z.B. von 15 min Trab 3 min Galopp. Dann werden die Galoppeinheiten langsam gesteigert auf 5 min und länger, dafür gibt
es wieder 15 min Schritt zum Regenerieren nach der anaeroben Belastung, um die Tanks zu füllen und das ­Laktat entfernen. Bei ­erfolgter Anpassung wird die Strecke dann auf 15 km ausgedehnt. Es hat eine relevante Leistungssteigerung stattgefunden: Dank des eingebauten Galopps wird bei gleicher Zeit mehr Strecke gemacht.

Der Ermüdungszustand zum Schluss der Arbeitseinheit sollte bei steigender Leistung immer gleich bleiben.

Weitere Möglichkeiten der Leistungssteigerung?

Man kann in schwierigeres Gelände wechseln und Steigungen einbauen. Bergauf Reiten in Schritt, Trab und ­Galopp hat einen starken Trainingseffekt, solange man immer an die Regenerationspausen danach denkt! Du darfst dein Pferd kurz hart beanspruchen! Aber dann musst du es konsequent wieder zurück in den aeroben ­Bereich ­führen. Das ist manchmal schwierig aber ­absolut unerlässlich. Manche Pferde sind gern heiß nach dem Galopp. In diesem Fall muss man so lange Schritt gehen, bis das Pferd wirklich ruhig aber fleißig ist. Aber auch kein Bummeln! Trainingsziel ist, das Pferd auch nach derartigen Belastungen in den Reisetrab zurückführen zu können.

Wie erhalte ich die Leistung?

Wenn du ein Plateau ­erreicht hast, mit dem du zufrieden bist oder das ­einem gesteckten Ziel entspricht, oder wenn du weißt, dass du in einem bestimmten Zeitraum nicht so viel Zeit haben wirst, dann heißt die Aufgabe nicht mehr ­Leistungssteigerung sondern Leistungserhalt. Du ­reduzierst ein wenig, d.h. die großen Anstrengungen zur ­Steigerung fallen heraus, aber du reitest ­immer ­wieder auf erreichtem Bestniveau, z.B. einmal die ­Woche, machst den Rest der Woche aber leichtere Arbeit. Entweder häufig leichtere Arbeit oder seltener schwerere Arbeit.

Quellen: Nancy Loving, Go the Distance, 1997
Dressur Studien, Kondition, 03/13
Bernd Springorum, Hinweise zum Konditionstraining der Militarypferde, 1986
Gregor von Romaszkan, Reiten Lernen, 1957

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